In frühen Zeiten befanden sich dort, wo heute der Poeler Ortsteil Oertzenhof liegt, mehrere Bauernhöfe, die in alten Karten und Steuerlisten “To den Hoven” , “Zun Hoeven” oder ähnlich bezeichnet wurden. "Zu den Höfen", wie man heute sagen würde, gehörte auch der “Schwarzenhof”, ein Bauernhof, der seit mindestens 1519 von der alteingesessenen Poeler Familie Schwartz bewirtschaftet wurde. Aus alten Akten weiß man, dass die Familie Schwartz über mehrere Generationen die Oberschulzen des schwedischen Teils der Insel stellte. Namentlich bekannt sind u. a. die beiden letzten Besitzer des Schwartzenhofs: der Oberschulze Jochim Schwartz, der vermutlich vor 1709 starb (seine Witwe, deren Name nicht überliefert ist, wurde am 6. April 1728 “...mit einer Leich-Predigt und vielen Gefolge beerdigt und in der Kirche begraben”) und sein jüngster Sohn Claus Schwartz, welcher 1712 die Lübecker Kaufmannstochter Elsabe Ottendorf heiratete.
Claus und Elsabe Schwartz hatten drei Töchter und zwei Söhne und dennoch scheint die Familie zu Beginn des 18. Jahrhunderts auf Poel ausgestorben zu sein. Claus starb offenbar irgendwann zwischen 1719 und 1722 - ein Eintrag in den Sterberegistern ließ sich nicht finden. Seine Witwe heiratete jedenfalls später einen Hardtwig Jochim Gerhardt, der durch diese Heirat zum Besitzer des Hofes wurde, welcher nun nach ihm “Gerhardtshof” genannt wurde. Witwe Schwartz bekam mit ihrem zweiten Mann 1723 und 1725 noch zwei weitere Kinder. Der Hof schien aber nicht gut zu laufen, denn schon 1727 wurde der “Gerhardshof” in Konkurs für 1.400 Taler an den Poeler Hausmann Detlof Göttsche verkauft. Das Ehepaar Gerhardt-Schwartz verzog daraufhin offenbar von Poel, denn die Quellen erwähnen sie später nicht mehr. Detlof Göttsche war zuvor in Brandenhusen ansässig und offenbar ein “Zugereister”. Seine Herkunft ist unbekannt. (Einer der beiden Söhne Göttsches heiratete später die Brandenhusener Oberschulzenwitwe Evers und wurde dadurch selbst Oberschulze des Lübischen Teils der Insel.) Dem neuen Besitzer nach wurde der Hof nun “Göttschenhof” genannt. Aber auch diese Ära währte nur kurz, denn bald darauf verkaufte Göttsche den Hof an den Landrat Helmuth Friedrich von Oertzen.
Helmuth Friedrich von Oertzen entstammte dem uradeligen mecklenburgischen Geschlecht der v. Oertzen, welches seinen Stammsitz seit mehr als 800 Jahren in Roggow (Gemeinde Rerik) hat. Geboren wurde Helmuth Friedrich am 14. Oktober 1673 als jüngster Sohn von Joachim v. Oertzen auf Roggow und dessen Ehefrau Charlotte Beate, geb. v. Erskin. Zehn Tage nach der Geburt starb Helmuth Friedrichs Mutter. Drei Jahre später heiratete der Vater Barbara Sophia von der Lühe a. d. H. Schulenberg. Als junger Mann stand Helmuth Friedrich als Page im Dienst des dänischen Königs Christian V. und wurde von diesem 1692 als Fähnrich in der Garde zu Fuß eingesetzt. Während eines vom König gewährten dreijährigen Urlaubs begleitete Helmuth Friedrich u. a. die französische Armee als Volontär, um sich militärisch weiterzubilden. 1696 kehrte er kurz auf den heimatlichen Stammsitz zurück, um nach einiger Zeit wieder an den dänischen Königshof zu gehen, wo er zunächst zum Leutnant, später zum Hauptmann der Garde zu Fuß befördert wurde. Ab 1703 hielt Helmuth Friedrich sich wieder auf dem elterlichen Gut Roggow auf. Im selben Jahr heiratete er zu Gudow Susanna Francina v. Bülow a. d. H. Gudow und übernahm ein Jahr später das Gut Gerdshagen, welches ihm der Vater zum Nießbrauch überlassen hatte. Zusätzlich übernahm Helmuth Friedrich auch noch das Gut Vogelsang, wo das Paar die nächsten Jahre auch seinen Wohnsitz hatte.
Zu Beginn des Jahres 1707 starb der alte von Oertzen und der Besitz wurde unter den beiden Söhnen Helmuth Friedrich und Jasper aufgeteilt. Zunächst erhielt Jasper als ältester den Stammsitz Roggow sowie Wakendorf. Helmuth Friedrich bekam die Güter Gerdshagen, Altenhagen und Bolland. Später erwarb er noch das Gut Klein-Nienhagen hinzu. Gerdshagen wurde für die nächsten Jahre Helmuth Friedrichs Wohnsitz, bis die Familie 1716 in den Konflikt des mecklenburgischen Herzogs Carl Leopold mit den ritterschaftlichen Ständen geriet. Der Herzog versuchte mit aller Macht und Härte, den Ständen zusätzliche Steuern für die Schaffung eines stehenden Heeres abzuzwingen. Hierzu holte er sogar 40.000 russische Soldaten ins Land. Den russischen Truppen knapp entkommen, ging Helmuth Friedrich samt Familie ins Exil nach Gut Gudow bei Ratzeburg, welches seinen Schwiegereltern gehörte und kehrte erst 1719 auf sein bis dahin beschlagnahmtes Gut Gerdshagen zurück. Schon vor seiner Flucht begann Helmuth Friedrich sich auch politisch zu betätigen. Diese Aufgaben nahm er nach seiner Rückkehr als Deputierter wieder auf, während er seine vormals beschlagnahmten Güter wieder auf Vordermann brachte und auch seinen Besitz mehrte: 1726 kaufte Helmuth Friedrich Gut Miekenhagen für 9.900 Taler, das er später seinem jüngsten Sohn Jasper überließ. Im Dezember 1728 starb nach längerer Krankheit Helmuth Friedrichs älterer Bruder Jasper. Da dieser keine Erben hinterließ, fiel das Gut Roggow nebst Wakendorf an Helmuth Friedrich. Als weitere Erwerbung kam um oder kurz nach 1727 schließlich eine Ortschaft auf der Insel Poel hinzu, die seither seinen Namen trägt: “Oertzenhof”. Zu dieser Erwerbung kam es, weil Helmuth Friedrich die Geschehnisse um 1716, die Flucht nach Gudow und die vorübergehende Beschlagnahme seiner Güter durch Herzog Carl Leopold noch nicht vergessen hatte. In Sorge, die Ereignisse könnten sich wiederholen, suchte Helmuth Friedrich nach einem geeigneten Gut, welches ihm in Wiederholungsfalle dann als Zuflucht dienen könnte.
Seine Wahl fiel auf den Poeler “Göttschenhof”, da dieser im schwedischen Teil der Insel lag und somit neutrales Ausland war. Helmuth Friedrich kaufte den Hof für 1.800 Taler und verpachtete den Hof darauf an Fräulein Agnese Dorothea v. Heinen für 200 Taler jährlich. Fräulein v. Heinen bewirtschaftete das Gut bis zu ihrem Tod 1750. Schon kurz nach Erwerb des Hofes kam es zu Meinungsverschiedenheiten mit der schwedischen Obrigkeit. Man stritt leidenschaftlich um die Art und den Umfang der an die Schweden zu leistenden Dienste. Nach v. Heinens Tod verstärkte die schwedische Regierung ihre Bemühungen, den Oertzenhof anzukaufen. Unter anderen war ein Tausch mit dem Dorf Bäbelin angedacht. Nach drei Jahren schließlich verkaufte Helmuth Friedrich entnervt seine Poeler Besitz, den er noch in seinem 1752 aufgesetzten Testament als “unzertrennlich mit Roggow” verbundenes Gut beschrieb. Erben sollte den Oertzenhof eigentlich Helmuth Friedrichs jüngster Sohn Jasper, wozu es durch den Verkauf nun nicht mehr kommen sollte. Die schwedische Krone machte indessen den Oertzenhof, nach Zusammenlegung mit der Fläche des ehemaligen Prienshofes und weiteren Ländereien zu einem großen Pachthof. Helmuth Friedrich von Oertzen war seit den 1730er Jahren als Landrat für die mecklenburgische Regierung tätig und erarbeitete sich einen Ruf als geschickter und einsichtsvoller, aber auch energischer Politiker. Am 3. Juni 1754 starb Landrat Helmuth Friedrich v. Oertzen im Alter von 81 Jahren in Schwerin und wurde kurz darauf in der Kirche zu Russow beigesetzt. Obwohl Helmuth Friedrich v. Oertzen nie auf Poel lebte, hinterließ er doch als Namensgeber des Ortes Oertzenhof seine Spuren auf der Insel.
Der Oertzenhof wurde nach dem Erwerb 1753 durch die schwedische Krone Pachthof und dann später, wieder unter mecklenburgischer Herrschaft Domanial-Pachthof.
Die Rekonstruktion der Hoffolgen ist oftmals sehr schwierig. Oft fehlen wichtige Daten, die eine korrekte Zuordnung erschweren oder gar unmöglich machen. Das gilt insbesondere für die frühen Generationen. Ein Beispiel: Oft übernahm der Hoferbe den elterlichen Hof zum Zeitpunkt der eigenen Eheschließung und die Eltern gingen auf das Altenteil. Das war in der Regel der älteste Sohn. Aber auch das galt bei weitem nicht immer. Eignete sich der älteste Sohn nicht für eine Hofübernahme, weil er krank war, sich charakterlich nicht eignete oder nicht heiratete, so konnte der Hof auch von einem jüngeren Sohn übernommen werden. Gab es keine Söhne, erbte in der Regel die älteste Tochter. Aber auch hier gab es durchaus Abweichungen von der Regel. So erbte den Hof unter Umständen auch der älteste Sohn aus einer zweiten Ehe des Vaters oder der Interimswirt blieb aus irgendwelchen Gründen auf dem Hof und dessen Familie führte den Hof über die nächsten Generationen weiter. Auch wenn ein Hof verkauft wurde, lässt sich das Jahr des Verkaufs nicht immer genau bestimmen. Die nachfolgenden Hoffolgen sind daher nur als ein Versuch der Rekonstruktion zu betrachten. Gern nehme ich hier aber Ergänzungen und Korrekturen entgegen! Wenn Du hier etwas beitragen kannst, nutze einfach das Kontaktformular!
Folgende Pächter sind bisher namentlich bekannt:
(Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Auch können die angegebenen Pachtzeiten nur als Richtwert dienen, da die genauen Jahresangaben zu den jeweiligen Inhabern des Hofes nicht mehr bzw. nicht mehr genau zu ermitteln waren)
Name | Zeit | Bemerkungen |
---|---|---|
Agnes von Heinen | 1727- 1750 | Agnes Dorothea Maria von Heinen (auch Agnese von Hein bzw. von Heyn) wurde Ende Oktober 1692 in Wölzow als Tochter des Majors Albert von Heinen und dessen Ehefrau Dylliana Sophia, geb. von Lützow geboren und am 1. November 1692 Wittenburg getauft. Sie pachtet 1727 das Gut von Landrat von Oertzen und bewirtschaftet es bis zu ihrem Tod am 1. April 1750. Agnes von Heinen war unverheiratet und hinterließ keine Nachkommen. Laut Poeler Kirchenbuch wurde von Heinens Leichnam nach Gammelin überführt und dort beerdigt. |
Carl Sager | 1753- 1774
| Über Sagers Herkunft ist bisher nichts genaues bekannt. Ab 1753 erscheint er als Pächter von Oertzenhof. Am 23. September 1768 heiratet er in Kirchdorf die Pastorentochter Anna Dorothea Regina Schliemann. Bis etwa 1775 ist Carl Sager Pächter von Oertzenhof. Ab 1774 ist er Pächter von Neuhof. Er stirbt am 29. August 1780 ebenda. Carl Sager hatte zwei Töchter und einen Sohn. Die zwei Töchter heiratete später Wismarer Kaufmänner. Sohn Adolph wurde Apotheker in Lübeck und gründete dort die heute noch bestehende Löwen-Apotheke. |
Joachim Friedrich Seier | 1774- 1780 | Joachim Friedrich Seer (auch Sayer oder Seer) wird am 22. November 1746 in Duckwitz geboren und drei Tage später in der Kirche zu Basse getauft. Sein Vater Johann Friedrich war Verwalter zu Duckwitz, seine Mutter Maria Elisabeth geb. Schele, war die Tochter eines Glasermeisters. In den Jahren von 1774 bis etwa 1780 war Seier Verwalter von Oertzenhof. Am 15. Oktober 1777 heiratet Seier in Kirchdorf eine Anna Sophia Freier. Bis 1780 kommen fünf Kinder in Oertzenhof zur Welt. Danach wird Seier Pächter des Gutes Luttersdorf. Dort stirbt er am 10. Juli 1795 und wird zwei Tage später in Beidendorf beerdigt. |
Friederich Jörns | 1780-1785 | Jochen Friederich Jörns war mit großer Wahrscheinlichkeit ein Bruder des Poeler Amtmannes Heinrich Christopher Jörns und wie bei diesem ist auch seine Herkunft bisher unklar. Er erscheint in den Quellen kaum und es ist nur bekannt, dass er drei Töchter hatte, die namentlich auch bekannt sind. Friederich Jörns stirbt am 4. März 1780 in Oertzenhof. Jörns mutmaßliche Mutter Ida Christiane, geb. Bonatz, überlebt ihren Sohn um neun Jahre und stirbt am 16. Januar 1789 im Alter von 90 Jahren. Sie wurde in Kirchdorf beerdigt. |
Carl
Calsow | 1798-1821 | Johann Carl Christopher Calsow wird als viertes Kind des Pächters Jochim Christoph Calsow und dessen Ehefrau Maria Dorothea geb. Kreplin in Hohen Niendorf geboren und am 2. August 1756 in der Kirche zu Alt Gaarz getauft. Carl Calsow heiratet am 29. Januar 1781 in Vietlübbe Maria Elisabeth Oldenburg, eine Tochter von Johann Christian Oldenburg und dessen Ehefrau Maria Dorothea geb. Wellner aus Dargun. Von 1781 bis 1791 ist er Pensionär zu Drieberg, 1793 Verwalter zu Blücher und 1798 Pächter zu Blücher und Timpkenberg. Noch 1798 kommt Calsow als Amtmann nach Poel und nimmt neben Oertzenhof auch Kaltenhof in Pacht, wo er mit seiner Familie auch seinen Wohnsitz hat. Oertzenhof lässt er vermutlich durch einen Verwalter bewirtschaften. Carl Calsow stirbt am 14. August 1826 in Rostock und wird in der Marienkirche beigesetzt. Seite Ehefrau starb bereits am 5. Oktober 1813 in Kaltenhof und wurde am 8. Oktober auf Poel ,,in der Kirche beÿgesetzt in dem ausgemauerten Grabe” |
Friedrich Jenssen | 1832- 1847 | Friedrich Heinrich Jenssen wird am 4. November 1794 in Zweedorf als Sohn des dortigen Pächters Adam Ernst Jenssen und dessen Ehefrau Sophia Henriette geb. Michelsen geboren. Im Jahr wird er als 1819 Ökonom zu Zweedorf erwähnt. Um 1832 wird er Pächter von Oertzenhof. 1847 kauft Jenssen das bei Wismar gelegenen Allodialgut Wisch und wird Gutsbesitzer. Er stirbt in Wisch am 6. Januar 1878 und wird in Proseken beerdigt. Jenssens Ehefrau Marie Agnes (Agnethe) Juliane stammte aus Rostock und war eine Tochter des dort ansässigen Kaufmanns Johann Georg Christian Bock und dessen Ehefrau Maria Wilhemina Juliane geb. Michaelsen. Sie stirbt am 30. Juni 1887 in Wismar und wird, wie ihr Mann, in Proseken beerdigt. Friedrich Jenssen hatte vermutlich keine Kinder. Sein Vater und sein Bruder waren Pächter von Kaltenhof. |
Heinrich
Grieffenhagen | 1847- 1852 | Heinrich Friedrich Adolph Carl Grieffenhagen stammte aus Rosenhagen bei Groß Brütz,wo er am 30. April 1816 geboren wurde. Er heiratete am 21. September 1849 in Neubukow Maria Christine Regina Johanna Tiede, eine Tochter des Kaufmanns und Senators Peter Christian Tiede und dessen Ehefrau Johanna Maria Sophia geb. Schwabe. Nach 1852 lebt er mit seiner Familie in Neubukow und später als Rentner in Schwerin. Er stirbt am 22. Januar 1875 in seinem Geburtsort Rosenhagen. Seine Witwe stirbt 1887 in Schwerin. |
Christoph
Calsow | 1853- 1857 | Christoph Hermann Calsow wird am 17. Januar 1819 als Sohn des aus Drieberg stammenden Timmendorfer Eigentümers Daniel Christoph Heinrich Calsow und dessen erster Ehefrau Lucia Dorothea Steinhagen geboren. Sein Großvater war der oben erwähnte Carl Calsow. Nach seiner Eheschließung - er heiratet am 28. November 1847 die Timmendorfer Erbpächtertochter Catharina Maria Fehrmann, übernimmt er zunächst den väterlichen Hof in Timmendorf. Im Jahr 1853 übernimmt er Oertzenhof, wirtschaftet dort aber nur wenige Jahre bis 1857. Dann verlässt er mit Frau und Kindern Poel und Mecklenburg und wird Rittergutsbesitzer zu Steesow bei Lenzen an der Elbe. Dort stirbt er am 14. Juni 1870 mit nur 51 Jahren. Seine Witwe folgt ihm nur wenige Jahre später am 20. Juli 1873. Auch sie wird nur 43 Jahre alt. Christoph Calsow war der erste Einheimische, der Oertzenhof in Pacht hatte. |
Conrad
Lüttmann | 1857- 1873 | Ernst Georg Conrad Lüttmann stammte aus Mustin bei Lauenburg und wurde dort am 30. Dezember 1830 geboren. Seine Eltern waren der dortige Gutspächter Matthias Lüttmann und dessen Ehefrau Dorothea Caroline Magdalene geb. Eggebrecht. Am 7. Juli 1857 heiratet Conrad Lüttmann Henriette Wilhelmine Agneta Friederica Kortüm, eine Tochter des Hof Poppentiner Gutspächters Ferdinand Adolph Heinrich Kortüm. Im selben Jahr wird Luttmann Pächter von Oertzenhof. Um 1860 brennt der komplette Hof ab. Nur das Gutshaus übersteht die Katastrophe ohne Schäden. In den folgenden Jahren baut Lüttmann unter großen finanziellen Belastungen den Hof wieder auf. Im Jahr 1873 endet Lüttmanns Zeit als Pächter und er verzieht von Poel, um 1890 als Rentner in Schwerin wieder zu erscheinen. Dort ist er noch 1900 nachweisbar. Danach verliert sich seine Spur. Wahrscheinlich stirbt er nach 1918 in Schwerin. |
Paul
Hasselmann | 1874- 1880 | Peter Paul Gottlieb Carl Johannes Hasselmann stammte aus Brandenbaum bei Herrnburg, wo er am 11. Oktober 1842 geboren wurde. Er war ein Sohn des dortigen Gutsbesitzers Joachim Christian Zacharias Hasselmann und dessen Ehefrau Ida Catharina Dorothea geb. Stender. 1857 lebt Paul Hasselmann mit seinen Eltern und fünf Geschwistern in Lübeck. Sein Vater ist so vermögend, dass er zu jener Zeit keiner Tätigkeit nachgehen muss. Später pachtet er jedoch das Gut Christinenfeld bei Klütz. Um 1874 heiratet Paul Hasselmann Petra Ida Peters und wird Pächter von Oertzenhof. Im Jahr 1880 muss er aus gesundheitlichen Gründen Oertzenhof wieder abgeben - ihn plagen schwere rheumatische Beschwerden. Danach zieht Hasselmann mit seiner Frau und den zwei Kindern von Poel fort und seine Spur verliert sich. Das von Paul Hasselmanns Vater gepachtete Gut Christinenfeld wurde später von Pauls jüngerem Bruder Adolph übernommen, blieb noch bis 1920 in dessen Besitz und wurde dann von Dr. Hans Lembke-Malchow übernommen, der für sein expandierendes Saatzucht-Unternehmen weiteres Ackerland auf dem Festland benötigte. |
Heinrich
Vieth | 1880- 1901 | Joachim Heinrich Vieth stammte aus einer alten Poeler Familie. Geboren wird er am 5. Januar 1839 als zweites Kind des Malchower Hausmanns und späteren Erbpächters Andreas Vieth und dessen Ehefrau Anna Sophia geb. Evers. Am 12. November 1889 heiratet er in Gevesmühlen die am 10. August 1852 zu Rodenberg geborene Luise Maria Sophie Lucie Burmeister, eine Tochter des Zarfzower Gutspächters Heinrich Burmeister und dessen Ehefrau Maria Sophia Dorothea Baumann. Sie war die Witwe von Heinrich Vieths Bruder Andreas, der bereits 1885 verstarb. Schon seit 1880 war Vieth Pächter von Oertzenhof, das er von Hasselmann übernommen hatte. Offenbar genügt Vieth das Gutshaus von Oertzenhof nicht seinen Ansprüchen und so lässt er auf dem Grundstück der Büdnerei 41 (heute Möwenweg 2) ein stattliches Wohnhaus für sich, seine Frau und seine zeitlebens unverheiratete Schwester Elise erbauen, das 1898 fertiggestellt ist. Seitdem wohnt Vieht nicht mehr auf Oertzenhof. Nach nur wenigen Jahren siedelt Vieth jedoch mit Frau und seiner Schwester nach Wismar über, wo er sich zur Ruhe setzt. Er vermacht sein Haus der Gemeinde in Form einer Stiftung, um einen Arzt dauerhaft auf der Insel anzusiedeln. Heinrich Vieth stirbt am 9. September 1911 in Wismar und wird in Kirchdorf auf der heute noch erhaltenen Familiengarbstätte beigesetzt. Seine Witwe stirbt am 25. Mai 1937 mit 84 Jahren in Wismar und wird in Kirchdorf neben ihrem Mann beigesetzt. |
Adolf
Tiessen | 1902- 1909 | Adolf Heinrich Ludwig Andreas Tiessen wird am 20. August 1839 in Groß Zecher am Schaalsee als Sohn des dortigen Gutsförsters Johann Heinrich Andreas Tiessen und dessen Ehefrau Sophia Maria Luise geb. Jeski geboren. In der Zeit um 1867 ist Adolf Tiessen Inspektor auf einem Gut in Bobitz bei Wismar. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt kommt er nach Poel und ist dort in den Jahren von 1890 bis 1901 als Gutsinspektor in Kaltenhof tätig. Am 19. Mai 1896 heiratet er die gut 30 Jahre jüngere Auguste Steinhagen, eine Tochter des 1890 verstorbenen Besitzers und Schulzen von Vorwerk und Pächters von Kaltenhof Joachim Peter Steinhagen. 1902 wird Tiessen Pächter von Oertzenhof. Das Paar bekommt insgesamt drei Kinder: Sohn Friedrich, geboren 1892 in Mosel bei Zwickau, fällt 22-jährig im 1914 im Ersten Weltkrieg, Tochter Hanna, geboren 1898 noch in Kaltenhof und Tochter Elisabeth, geboren 1906 in Oertzenhof. Sie lebt später als unverheiratete Lehrerin in Rostock. Adolf Tiessen stirbt am 25. April in Bad Nauheim und wird wenige Tage später in Kirchdorf beerdigt. Er wurde 69 Jahre alt. |
Auguste
Tiessen | ab 1909 | Geboren wurde Auguste Emma Maria Steinhagen, verehelichte Tiessen, am 1. Juli 1871 in Vorwerk. Sie führt als Witwe des vorigen das Gut noch einige Jahre weiter und wird dabei zusehends von ihrer Tochter Hanna unterstützt. Auguste Tiessen stirbt am 24. Februar 1940 in Oertzenhof mit 68 Jahren. |
Hanna Tiessen | bis 1945 | Hanna Auguste Luise Alma Tiessen wird am 12. Mai 1898 in Kaltenhof geboren und 1913 in Rostock konfirmiert. Im Jahr 1928 absolviert sie mehrere Monate als landwirtschaftliche Elevin auf einem westpreußischen Gut und besucht noch im selben Jahr bis März 1929 die Landwirtschaftliche Schule der freien Hansestadt Bremen. Ursprünglich nur als Hospitantin in der Oberklasse kann sie durch großen Fleiß die Schule mit einem guten Zeugnis abschließen und verlässt die Schule am 28. März 1929 mit den besten Wünschen der Lehrerschaft. Unmittelbar danach wird sie für ein Jahr als Volontärin auf einem Gut im holsteinischen Wakendorf tätig und mehrt dort ihr Wissen in allen Arbeiten der Innen- und Außenwirtschaft, sowie in Büroarbeiten. Man entlässt sie mit dem Urteil, sie habe ihre Arbeit zur vollsten Zufriedenheit ausgeführt. Am 25. März 1930 verlässt Hanna Tiessen Wakendorf mit dem Ziel, die Leitung des mütterlichen Betriebs in Oertzenhof zu übernehmen. Dort übernimmt sie in den folgenden Jahre immer mehr die Regie von ihrer Mutter und nach deren Tod im Jahr 1940 führt sie die den Hof allein. 1941 bekommt Hanna Tiessen Probleme wegen der 1943 anstehenden Wiederverpachtung. Aus einem Brief des damaligen Wismarer NSDAP-Kreisleiters Dahl an den Landrat des Kreises Wismar vom 5. Juli 1941 erfahren wir nämlich folgendes: "Ich bitte, zur Kenntnis zu nehmen, daß in politischer Beziehung ueber die augenblickliche Pächterin von Oertzenhof nichts nachteiliges bekannt ist. Eine Wiederverpachtung der Domäne an Fräulein Hanna Thiessen kommt m. E. nicht in Frage. ich erachte Oertzenhof als ein vorzügliches Siedlungsobjekt. Es müßte darum nach meiner Meinung erst geklärt werden, ob Oertzenhof aufgesiedelt werden soll. Unter diesen Umständen könnte bis zur Inangriffnahme der Aufsiedlung die Wiederverpachtung an die bisherige Pächterin natürlich erfolgen. Falls von der Aufsiedlung abgesehen werden soll, müßte ein anderer Pächter gesucht werden. Heil H...! Dahl." Ein weiteres Schreiben der Kreisbauernschaft, datiert auf den 10. Juli 1941 und ebenfalls an den Landrat gerichtet, zeigt dann deutlich den kruden ideologischen Hintergrund des Ganzen: "Die bisherige Pächterin der Domäne Oertzenhof Frau Tiessen ist im Februar 1940 verstorben. Die Wirtschaft führt seit Jahren die Tochter Hanna Tiessen. Dem Wunsch des Fräulein Tiessen, die Domäne neu zu pachten, kann aber nicht entsprochen werden. Fräulein Tiessen wird nicht die Absicht haben, noch zu heiraten und ist bei ihrem Alter für die Gründung einer Familie keine Gewähr mehr gegeben. Der bevölkerungspolitischen Auffassung muß unbedingt Bahn gebrochen werden und die Schaffung von guten Existenzen für erbgesunde deutsche Familien ist unsere Aufgabe. Mein Bestreben geht dahin, entweder leistungsfähige Erbhöfe aus dieser Domäne entstehen zu lassen oder zum mindesten einen tüchtigen Landwirt als Pächter einzusetzen. Der Bedarf an Anliegerland wäre zu prüfen. Heil H...! Herm. Eberhardt" Wie das ganze alles ausgegangen wäre, wissen wir nicht. Denn durch die Auswirkungen des Krieges bleibt Hanna Tiessen bis 1945 doch Pächterin von Oertzenhof. Das Kriegsende und der Untergang des nationalsozialistischen Deuschlands half ihr indes nicht. Denn im Zuge der Bodenreform wurde sie 1945 entschädigungslos enteignet und nach Angaben einer Zeitzeugin in der Nacht vom 8. zum 9. August 1945 ihres Hofes verwiesen, Sie floh in Folge in den Westen, wo sie nach unbestätigten Angaben 1979 verstarb. Hanna Tiessen war zeitlebens unverheiratet und hinterließ keine Nachkommen. Oertzenhof wurde in den Nachkriegsjahren dann tatsächlich mehr oder weniger aufgesiedelt und die meisten Hofgebäude verschwanden oder wurden umgebaut und umgenutzt. |
Christoph Calsow, Pächter von Oertzenhof 1853-1857
Conrad Lüttmann, Pächter von Oertzenhof 1857-1873
Heinrich Vieth, Pächter von Oertzenhof 1880-1901
Zustand des Domanial-Pachthofes Oertzenhof um das Jahr 1941 - Heute stehen noch das Wohn- und Wirtschaftshaus, die nach wie vor als Wohnhäuser genutz werden, der Speicher, der mittlere große Viehstall und der Pferdestall. Landwirtschaftlich wird keines der verbliebenen Gebäude mehr genutzt. Im ehemaligen Schweinestall befand sich bis 2021 das ausgezeichnete und überregional bekannte "Cafe Frieda". Nur in schwarzen Konturen angedeutet die Lage der Hofgebäude vor dem Brand in den 1860er Jahren - einst ein klassischer Dreiseitenhof.
Das ehemalige Pächterwohnhaus der Domäne Oertzenhof, erbaut um 1829/30 - Zustand 2020
Das ehemalige Wirtschafts- bzw. Inspektorenhaus, erbaut 1882 - heute Wohnhaus (Zustand 2020).
Der 1872 erbaute Schweinestall - bis 2021 das beliebte und mehrfach ausgezeichnete "Cafe Frieda" - Zustand 2020
Der 1864 erbaute ehemalige Großviehstall verlor bei einem Sturm in den 1990er Jahren sein gewaltiges Dach - Zustand 2020
Das eigentliche Dorf Oertzenhof - ja, es wird in den Archivakten als Dorf bezeichnet! - befand bzw. befindet sich abseits des Hofgeländes am heutigen Kaltenhöfer Weg. Der Begriff "Dorf" ist in diesem Fall allerdings reichlich übertrieben. Denn es handelt sich tatsächlich nur um einige Tagelöhnerkaten.
Der um das Jahr 1829 erbaute erste Tagelöhnerkaten am heutigen Kaltehöfer Weg.
Der ebenfalls um 1829 erbaute zweite Tagelöhnerkaten am heutigen Kaltehöfer Weg.