Bereits Ende der 1830er Jahre sind für Poel erste Sommergäste nachweisbar. Der richtige Bäderbetrieb begann dann jedoch erst um die Jahrhundertwende. Die Gutsbesitzerfamilie Paetow vermietete schon in den 1890er Jahren jedes freie Zimmer auf ihrem Brandenhusener Hof. Der Poeler Dampfer machte dafür auf seiner Linie Wismar-Kirchdorf vor Brandenhusen Halt und die Feriengäste wurden ausgebootet, denn eine Anlegestelle für das doch recht große Schiff gab es nicht. Günstig kam hier aber dazu, dass der Hof direkt bis an das Wasser reichte.
Am Schwarzen Busch wurde 1899 ein knapp ein Kilometer langer Strandabschnitt von Seegras und Muscheln befreit und für den Badebetrieb freigegeben. Neben der Gründung einer Badeverwaltung und des Poeler Badevereins entstand 1910 am Schwarzen Busch das Kurhaus. Es folgte eine hölzerne Badeanstalt sowie die “Milchkuranstalt”, die von dem Kaltenhöfer Molkerei-Fachmann Rohrdantz betrieben wurde (die spätere “Strandhalle”). Die Erdstraße von Kirchdorf zum Schwarzen Busch wurde 1908 mit Linden bepflanzt. Eine feste Decke (Kopfsteinpflaster) bekam die Straße übrigens erst 1954! Links auf dem Bild sehen wir das Kurhaus kurz nach seiner Errichtung um das Jahr 1910.
Bäderprospekte aus den Jahren 1910 und 1926
Bäderprospekte aus den Jahren 1936 und 1938
Bäderprospekt aus den Jahren 1954/55
Bäderprospekt aus dem Jahr 1957
Zählte man im Jahr 1907 gerade einmal 300 Badegäste, waren es zwei Jahre später bereits über 800 „Luftsnappers“, wie man die Feriengäste auf Poel augenzwinkernd nannte. In den folgenden Jahren entstanden dann die ersten Privatpensionen, die teilweise aber schon vorher als reine Gastwirtschaften existiert hatten. So entstanden z. B. die Pensionen Völter, Lembke und Mahnke in Kirchdorf, Schwartz in Gollwitz, Kofahl in Malchow, Waack in Weitendorf, sowie Hartig und Schröder in Timmendorf und weitere. Auch die Gutsbesitzer der Insel boten schon bald Ferienzimmer unterschiedlichsten Komforts an und taten es Paetow in Brandenhusen gleich. Mit dem Aufschwung des Bäderbetriebes eröffneten einige der Kirchdorfer Gastwirte “Filialen” am Schwarzen Busch, wie beispielsweise die Gastwirte Heinrich Völter und Ernst Lembke.
Auch die „kleinen“ Leute, insbesondere in Kirchdorf, vermieteten im Sommer ihre „Gute Stube“ an Urlaubsgäste. Zudem wurden in den folgenden Jahren in schöner Regelmäßigkeit Bäderprospekte durch die Badeverwaltung herausgegeben. So entwickelte sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ein stetig wachsender Bäderbetrieb, der allerdings vom Umfang her nicht mit anderen Ostseebädern wie z.B. Boltenhagen, auf Rügen oder Usedom zu vergleichen war. Denn nach dem Bau des Kurhauses war Schluss mit der Errichtung mondäner Ferienobjekte, denn die Grundbesitzer, denen das Land um den Schwarzen Busch gehörte, waren nicht dazu bereit, noch mehr ihres fruchtbaren Bodens für die Errichtung weiterer Häuser herzugeben. So verpasste Poel zwar die große Zeit der Bäderarchitektur, wie wir sie andernorts heute reichlich finden; andererseits bewahrte sich Poel damit lange seinen Charme als ruhiger Urlaubsort für Naturliebhaber.
Dennoch entwickelte sich das Bäderwesen rasch weiter und 1937 zählte man bereits über 4.000 Gäste. Diese kamen zumeist aus Hamburg, Berlin, Dresden, Leipzig usw. Das Bäderwesen wurde damit neben der Landwirtschaft und der Fischerei zu einem weiteren und wichtigen Wirtschaftsfaktor auf der Insel.
Werbeanzeige der Gaststätte und Pension "Zur Insel" von 1926
Werbeanzeige von Gutsbesitzerfamilie Steinhagen von 1926
Werbeanzeige von Gaststätte und Pension Waack von 1926
Werbeanzeige von Pension Schwartz von 1926
Werbeanzeige von Gutsbesitzer Ernst Beyer von 1926
Werbeanzeige von Gutsbesitzerfamilie Kleingarn von 1926
Eine kleine Zeitungsanzeige, wohl aus den 1920er Jahren
Auszüge aus einem Bäderprospekt von 1926. Neben den gewerblichen
Anbietern vermietete jeder, der ein Zimmer entbehren konnte.
Herrengruppe am Schwarzen Busch in den 1930er Jahren
Frauengruppe am Schwarzen Busch in den 1930er Jahren
War es bis in die 1930er Jahre meist nur den besser betuchten Menschen vergönnt, auf Poel die Ferien zu verbringen, erschloss sich nach dem Zweiten Weltkrieg diese Möglichkeit auch der breiten Mehrheit. Denn ab den 1950er Jahren entwickelte sich in der DDR ein organisierter Feriendienst über den „Freien Deutschen Gewerkschaftsbund“ (FDGB). Das einst privat betriebene Kurhaus am Schwarzen Busch wurde in Folge zum FDGB-Ferienheim „Freundschaft“. 1957 verzeichnete Poel 2.140 Urlauber, 1960 waren es bereits 5.131 Sonnenhungrige und im Jahr 1970 waren es schon rund 30.000 Erholungssuchende. Bis 1983 stieg die Zahl nochmals auf rund 35.000 Urlauber.
Die "Villa Carolina" in Timmendorf existiert heute nicht mehr.
Die Pension "Seeblick" in Timmendorf gibt es hingegen noch heute.
Neben dem Schwarzen Busch hatte sich längst Timmendorf zur zweiten Urlauberhochburg entwickelt und auch in Gollwitz vollzog sich eine entsprechende, wenn auch nicht so umfangreiche Entwicklung zum Badeort. Neben dem FDGB-Feriendienst schickten auch Volkseigene Betriebe die Kinder ihrer Angestellten und Arbeiter auf die Insel. Dafür wurden mehrere Betriebsferienlager, u.a. auch in Gollwitz eingerichtet. Auch privat konnte man auf Poel im Sommer immer noch unterkommen und wie schon in früheren Zeiten vermietete jeder der konnte, Zimmer an Urlauber. Die Gäste kamen auch in der Zeit der DDR zumeist aus den südlichen Bezirken und es ging gelegentlich der wenig schmeichelhafte und etwas spöttische Spruch die Runde: „Im Winter halten wir Schweine, im Sommer halten wir Sachsen“. Sicher ist das etwas überspitzt gemeint gewesen, denn gar nicht so selten kamen ein und dieselben Urlauber über Jahre und gar Jahrzehnte immer wieder zu den gleichen privaten Vermietern, später gar deren Kinder. So entstanden dabei echte Freundschaften zwischen den Gastgebern und Gästen, die teilweise bis hin die heutige Zeit reichen.
1997 wurde die Insel Poel staatlich anerkannter Erholungsort und seit 2004 trägt die Gemeinde wieder den Titel Ostseebad. 2005 wurde der Insel Poel das Prädikat „staatlich anerkanntes Seebad Ostseebad Insel Poel“ verliehen.